[Asien/Europa] Die neue Seidenstraße - Alles über den Schienen-Containerverkehr zwischen Fernost und Abendland

  • In China ist der Schienenkopf anders ausgebildet als in Europa und daher auch das (daran angepasste) Rad. Ein Zug mit chinesischen Rädern neigt daher auf europäischen Schienen zum Entgleisen und umgekehrt ist es genauso.

    Die Abweichungen des Schienenkopfs zwischen UIC60 und CHN60 sind marginal (CHN ist eine Spur schmäler, ~1mm). Beim Rad ist die Neigung der Lauffläche dafür beim in China üblichen LM-Profil deutlich steiler als beim ORE 1002 und daraus resultiert eine höhere äquivalente Konizität. Auch der Spurkranz sieht etwas anders aus. All das würde vermutlich alleine noch zu keiner Entgleisung führen.
    Kritischer wird es da beim Radrückenabstand, der ist in Europa bei 1360, in China nur bei 1353 mm und mit den Toleranzen unterm Strich nicht kompatibel.


    Ich finde es zusätzlich nicht sinnvoll Güterwagen auf 10.000 km Laufwege zu schicken.

  • Zitat

    Ich finde es zusätzlich nicht sinnvoll Güterwagen auf 10.000 km Laufwege zu schicken.

    Wobei man Wagen einsetzen muss, die sibirische Temperaturen bis -50 Grad aushalten, und wie Waren aussehen, die dermaßen tiefgefroren (und dann auftauen) werden,...aber daran haben die russischen Wodka-Hohlköpfe und ihre westlichen Pendants wohl nicht gedacht.


    Es wird von 1,7 Millionen Kisten pro Jahr geträumt: 1,7 Mio Container bedeuten 5.000 - 6.000 Container pro Tag. Nehmen wir ca. 30 Container pro Zug, dann wären das in 24 Stunden 200 Züge allein mit dem Ziel Parndorf.


    Ich schließe daraus:


    1.) Jeglicher Personenverkehr erübrigt sich. Die Strecke wird vom Beginn an als "überlastete Infrastruktur" gelten.
    2.) Die Wirtschaftlichkeit dürfte enorm sein.
    3.) Parndorf wird im gesamten Asiatischen Raum bekannt sein.
    4.) Es beginnt ja bald wieder der Fasching!

  • Der langen Rede kurzer Sinn: Es gibt heute schon 40 regelmäßige Zugverbindungen nach China. Herausragend jene von BMW - seit September 2011 täglich ein Containerzug im Auftrag von BMW -Werk in Leipzig über den dortigen Bahnhof Leipzig-Wahren nach Shenyang. Seit November 2010 verkehrt einmal wöchentlich ein Containerzug im Auftrag von BMW von Wackersdorf in der Oberpfalz nach Shenyang. Seit Mai 2017 betreibt Volvo eine Verbindung zu seinem chinesischen Werk in Daqing. Transportiert werden in China gefertigte Mittelklasse-Limousinen der Baureihe S90. Die Verbindung wird derzeit einmal wöchentlich bedient. Seit März 2016 besteht eine Verbindung von Madrid nach Yiwu. Wozu also eine Breitspurbahn ins Parndorfer Outback, intelligenter wäre es immer noch ins neue Zentrum nach Inzerdorf.

  • Der weite Weg zur neuen Seidenstraße

    Bild vom Trockenhafen in Khorgos © Bild: Martin Sattler/Wirtschaftskammer Wien


    Die Bahnstrecke von China nach Europa ist in aller Munde, aber noch lange nicht auf Schiene. Eine Spurensuche in Kasachstan.


    12.000 Kilometer in drei Tagen: Die Volksrepublik China hat sich mit ihrem Infrastrukturprojekt, der neuen Seidenstraße, ein gewaltiges Ziel gesetzt. Ein Hochgeschwindigkeitsgüterzug soll ab 2030 mit 300 km/h von Peking bis Duisburg donnern und die Strecke in 72 Stunden zurücklegen. Ein hehres Vorhaben, allein, der Weg dorthin ist noch ein langer.
    Derzeit sind die Züge 15 Tage unterwegs, weite Teile der Strecke sind nicht elektrifiziert und werden mit Dieselloks befahren. Die Höchstgeschwindigkeit liegt nicht selten bei 50 km/h – mehr vertragen die Gleise nicht. Signale oder Bahntechnik gibt es weitgehend nicht, die Verhältnisse sind wie damals im Wilden Westen, beschreiben europäische Logistikexperten die Situation.
    © Bild: Grafik Wer seine Ware auf dem Schienenweg von China nach Europa oder umgekehrt verschickt, sollte sie gut versichern. Schon öfter sind ganze Waggons und ihre Ladung verschwunden, aufgetaucht sind nur die Waggons wieder. Plomben sind in Planung, doch kann das alleine noch nicht für Sicherheit garantieren. Auch die Temperaturen, wie sie zum Beispiel in Kasachstan, eines der Haupttransitländer von China nach Europa, vorherrschen, haben es in sich. In der Hauptstadt Astana, die nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Einwohnerzahl von 200.000 auf eine Million vervierfacht hat, herrschen im Sommer Temperaturen von bis zu 40 Grad plus. Im Winter können sie bei 50 Grad minus liegen – und das nicht nur ein paar Tage, sondern ein paar Wochen.
    Aufrüsten im Westen
    3000 Züge waren 2017 zwischen Abend- und Morgenland unterwegs. Derzeit sind nur 50 Prozent der Züge Richtung China beladen, in Zukunft sollen es 70 Prozent sein. Die Wertigkeit liegt derzeit allerdings bei 1:1, da die chinesischen Produkte mit den europäischen preislich nicht mithalten können. Laut Experten soll es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das angleicht, denn China rüstet den Westen seines Landes auf.
    Drehscheibe
    Hier sollen die Automobil- und die Textilindustrie sowie Maschinen- und Elektronikindustrie ausgebaut werden, denn an der Küste ist kein Platz mehr. Und genau wegen des immer größeren Warenaustauschs zwischen Europa und China kommt Kasachstan auf Grund seiner geografischen Lage eine immer wichtigere Drehscheibenfunktion zu. Insgesamt 16.000 Kilometer Schienen wurden in Kasachstan verlegt, das Netz ist damit im Wesentlichen ausgebaut.
    Offizielle Stellen sprechen von einer guten Beziehung zu China. Schaut man aber hinter die Kulissen, läuft nicht alles so reibungslos ab. Der so genannte „Trockenhafen“ Khorgos ganz im Osten des Landes an der Grenze zu China – dort werden in der Wüste Container von der chinesischen Normalspur auf die kasachische Breitspur umgeladen – ist zu 51 Prozent im Besitz Kasachstans und zu 49 Prozent im Besitz Chinas. Dennoch würden sich die Chinesen „aufführen, als wären sie die Alleineigentümer“, hört man aus Logistikkreisen.
    In Khorgos wird – auch wenn die Züge noch nicht wie geplant rollen – schon jetzt auf Teufel komm raus in die Infrastruktur investiert. Ein Industrie- und Logistikgebiet sowie eine Stadt für die Beschäftigten dieses Riesenprojekts sollen entstehen. „Chinas Wachstum ist für unsere staatliche Eisenbahngesellschaft gut“, sagt Sanzhar Yelyubayev, Vizepräsident des Vorstands der Kasachischen Eisenbahnen (KTZ). Obwohl es noch viele Widrigkeiten gibt, ist in den vergangenen Jahren auf der Seidenstraße durch Kasachstan tatsächlich einiges weitergegangen. Der Containertransport in Kasachstan hat sich laut Askar Namazbayev, stellvertretender Direktor für Kasachstan von der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, zwischen 2011 und 2016 um den Faktor 100 erhöht.

    Kasachstan buhlt um Investoren für Bahnausbau © Bild: Thomas Pressberger
    Europäer gesucht
    „Es ist ein freier Markt, der offen für Investoren ist“, sagt Namazbayev. Man hätte gerne etwas weniger chinesische und mehr europäische Finanziers, für Österreich gäbe es Chancen in den zahlreichen Nischenbereichen, wie Bahntechnologie. Die Infrastruktur soll diversifiziert werden, neben Bahn und Straße sollen auch die Häfen ausgebaut werden. Der Dry-Port in Khorgos soll eines der herausragenden Projekte an der kasachischen Seidenstraße werden. Auf diesem Trockenhafen sollen einmal um die 40 Züge pro Tag umgeladen werden. Derzeit wirkt das karge Stück Land zehn Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt aber noch ziemlich trostlos. Die Schienen sind teilweise vom Sand verweht, das Gelände ist steinig und trocken. Das Areal ist von kilometerlangem Stacheldraht umgeben und wird von Security Personal und 300 Kameras bewacht. Kritiker witzeln, es sei das am besten bewachte Stück Wüste auf der Welt.

    Noch wenig los auf der Bahnstrecke nahe des Trockenhafens Khorgos © Bild: Thomas Pressberger
    Derzeit kommen zwölf Züge pro Tag an, dazwischen wirkt die Anlage wie ausgestorben, auch die meisten Lager und Regale sind leer. Das Lagerhaus wurde 2017 eröffnet, immerhin hat sich der Umschlag bis heute verdoppelt, so ein Mitarbeiter. Die Strecke funktioniere noch nicht optimal, doch bleibe er optimistisch, dass sich das noch ändern werde.
    Die aktuellen Entwicklungen in Kasachstan und China werden von der heimischen Wirtschaft genau beobachtet, denn sie bieten Chancen und Risiken für das kleine Land in den Alpen. „Das Seidenstraßenprojekt ist für die Wiener Wirtschaft wichtig, wir brauchen eine rasche und durchgehende Verbindung nach China“, sagt Alexander Biach, stellvertretender Direktor der Wiener Wirtschaftskammer. Profitieren würden vor allem Bereiche wie Automobil- und Bauzulieferer, Papier- und Verpackungsindustrie, Maschinenbau und Bahntechnik.
    Wettrennen
    Damit die neue Seidenstraße bis zur Bundeshauptstadt reicht – so ist es der Wunsch der heimischen Politik – müsste noch die Breitspurbahn vom ostslowakischen Kosice bis in den Wiener Raum ausgebaut werden. Der Ausbau würde 6,5 Milliarden Euro kosten und soll mehr als zwölf Milliarden Euro Wertschöpfung in den Jahren 2033 bis 2054 bringen. Gegen Bratislava könnte sich Wien laut Biach durchsetzen, weil Wien besser an die internationalen Verkehrswege angebunden sei.
    Ein größerer Konkurrent als Bratislava ist Budapest, denn auch dort wird um die Gunst der Chinesen als Endterminal gebuhlt. Diese Route würde über den griechischen Hafen Piräus und durch Serbien verlaufen – und dort investiert China bereits kräftig.
    Hinweis: Der KURIER war auf Einladung der Wirtschaftskammer in Kasachstan
    https://kurier.at/author/thomas.pressberger ( kurier.at ) Erstellt am 25.06.2018 von Thomas Pressberger
    KURIER

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Bahnstrecke und Pipelines auf Eis gelegt


    China muss beim Bau seiner „Neuen Seidenstraße“ einen Rückschlag hinnehmen. Am Dienstag berichteten malaysische Medien, dass das Land mehrere milliardenschwere Projekte gestrichen habe. Malaysia könne es sich nicht leisten, die von China gewährten Kredite zurückzuzahlen, wird der Stopp von malaysischer Seite begründet.


    Konkret betroffen sind neben einer etwa 20 Milliarden US-Dollar (17,5 Mrd. Euro) teuren Bahnverbindung, die mit chinesischen Krediten und Staatsfirmen gebaut werden sollte, auch zwei Pipelines im Wert von 2,3 Mrd. US-Dollar. Die Projekte waren schon zuvor ausgesetzt worden.

    Bei einem Treffen der beiden Staaten gab Malaysia den Ausstieg aus milliardenschweren Projekten bekannt. Foto: APA/AFP/Roman Pilipey


    Jetzt unterrichtete Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad die chinesische Führung während Gesprächen in Peking vom Ende der Zusammenarbeit. Man wolle nicht „zu viel Geld, das wir nicht haben und nicht zurückzahlen können“ in Vorhaben investieren, „die wir für Malaysia nicht benötigen“, wird Mahathir in Medienberichten zitiert. Der Bau sei zwar zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich, derzeit konzentriere man sich aber auf die Reduzierung der Staatsschulden.
    Malaysia für Schifffahrt besonders wichtig
    Der Rückzug Malaysias kommt für Chinas gigantisches Infrastrukturprojekt ungelegen, denn das Land ist vor allem für die Schifffahrt von besonderer Bedeutung. Die Straße von Malakka gilt als eine der am stärksten befahrenen Wasserstraßen der Welt und ist für Chinas Handel unverzichtbar - nicht zuletzt deswegen ist sie auch von strategischer Bedeutung für Peking.

    Die „Neue Seidenstraße“ soll für China neue Handelskorridore nach Afrika und Europa schaffen. Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Xinhua


    Dementsprechend groß waren die Bemühungen Chinas in Malaysia: Zahlreiche Großprojekte wurden mit Mahathirs Vorgänger, Najib Razak, ausgehandelt. Doch Najib wurde nach Korruptionsvorwürfen abgewählt, die sich auch um die Investitionen Chinas drehen. Sein Nachfolger machte es sich zum Ziel, diese Abmachungen zu stoppen.
    Warnung vor „neuem Kolonialismus“
    Mit deutlichen Worten machte Malaysias Premier die Position seines Landes nun klar - der Schuldenabbau Malaysias sei momentan wichtiger. Gleichzeitig warnte er vor dem wachsenden Einfluss Pekings in armen Ländern. Auch Kritikerinnen und Kritiker des Infrastrukturprojekts mahnen, dass die vor allem von China finanzierten Projekte zu einer Schuldenfalle für beteiligte Staaten werden könnten, weil sie so abhängiger werden.

    China setzt auf den Ausbau von Infrastruktur in anderen Ländern und gewinnt dadurch Einfluss. Foto: AP


    Mahathir ermahnte China zu einem faireren Wettbewerb, er selbst spricht von „Kolonialismus“. Man wolle keine Situation, „in der es eine neue Version des Kolonialismus gibt, weil arme Länder nicht in der Lage sind zu konkurrieren“, sagte er am Montag nach einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Li Keqiang.
    Chinas Premierminister sagte, dass sich an der freundlichen Haltung seines Landes gegenüber Malaysia nichts ändern werde. Zudem bemühe man sich, die „Neue Seidenstraße“ besser in Malaysias eigene Entwicklungsstrategie einzubinden.
    Investitionen mit Beigeschmack
    Im Zuge des als „Neue Seidenstraße“ bekanntgewordenen Infrastrukturprojekts sollen neue Wirtschaftskorridore von China nach Europa und Afrika entstehen. Doch Malaysias Rückzug folgt einem Trend, dass nach und nach sich Länder der Einflussnahme Chinas widersetzen.
    Wie die „New York Times“ nun schreibt, hätten Länder von „Sri Lanka bis Dschibuti“ und von „Myanmar bis Montenegro“ erkannt, dass die Investitionen Chinas „unangenehme Begleitmaßnahmen“ mit sich bringen. Diese würden etwa geschlossene Ausschreibungsverfahren beinhalten, die letztlich zu schlechten Verträgen und einem starken Zufluss chinesischer Arbeitskräfte führen.

    ORF

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Gleichzeitig warnte er vor dem wachsenden Einfluss Pekings in armen Ländern. Auch Kritikerinnen und Kritiker des Infrastrukturprojekts mahnen, dass die vor allem von China finanzierten Projekte zu einer Schuldenfalle für beteiligte Staaten werden könnten, weil sie so abhängiger werden.

    Ich verstehe die Kritik, nur hatte die damit vermutlich nichts zu tun. Auch die 350 km lange Strecke Kuala Lumpur - Singapur hat man abgeblasen, obwohl es vermutlich eine der sinnvollsten Strecken weltweit gewesen wäre:

    Die Strecke Kuala Lumpur – Singapur ist die belebteste Flugroute der Welt.
    ...
    Auf der Strecke Kuala Lumpur – Singapur waren sieben Fluggesellschaften unterwegs, die mit insgesamt mehr als 30.000 Verbindungen rund 5,3 Millionen Sitzplätze angeboten und rund vier Millionen Passagiere befördert haben.

  • Großspurig unterwegs


    Wien als Knotenpunkt der neuen Seidenstraße – davon träumt Österreichs Wirtschaft. Und kramt ein in die Jahre gekommenes Megaprojekt aus der Schublade, das mit China nichts zu tun hat – wohl aber mit Russland.


    Großer Bahnhof: Die Spitze der Republik gab sich die Ehre, als am 12. April 2018 ein Güterzug der ÖBB die chinesische Millionenstadt Chengdu mit Fahrtziel Wien verließ, 600 Meter lang, mit 44 Containern beladen, darin Schlafsäcke, LED-Lampen und Maschinenteile. Es war der erste Zug auf der neuen Direktverbindung zwischen China und Österreich, und er wurde verabschiedet wie ein Staatsgast. Neben einer ranghohen chinesischen Delegation hatten sich illustre Politiker, gerade auf einem ausgedehnten Staatsbesuch, auf dem Bahnsteig versammelt: unter ihnen die Außenministerin, der Bundeskanzler und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der seine Rede mit einem "Bye bye, and see you in Vienna" schloss. Als der Zug fünfzehn Tage und 9800 Kilometer später im Güterzentrum Wien Süd einlief, wartete Van der Bellen schon am Gleis, neben ihm Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und der chinesische Botschafter.


    Auf den ersten Blick eine Überdosis Prominenz zur Eröffnung einer Route, auf der künftig siebenmal pro Woche Waren Richtung Österreich rollen sollen, nicht einmal 10.000 Tonnen also. Ein einziges Containerschiff schafft locker das Zehnfache. Aber wenn es nach der Regierung geht, sollen bald noch mehr Züge eintreffen, schwerer, länger, schneller. Und Österreich zu einem Verkehrsknoten machen im größten Wirtschaftsprojekt aller Zeiten: Chinas neuer Seidenstraße.


    Rund 1,3 Billionen Dollar investiert China gerade in den Ausbau seiner Handelsrouten zu Wasser und zu Land. Die aufstrebende Großmacht baut Brücken, Gleise, Autobahnen und Tiefseehäfen – nicht nur in Asien, auch in Afrika und in Europa: Der Hafen von Piräus steht unter chinesischer Kontrolle, die Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest wird unter chinesischer Flagge modernisiert. Es ist ein Projekt mit dem Potenzial, die Weltordnung zu revolutionieren: China verschafft sich leichteren Zugang zu seinen Absatzmärkten und Einfluss weit außerhalb seiner natürlichen Machtsphäre. Bislang führen alle Wege vorbei an Österreich, entweder auf dem Seeweg über Piräus Richtung Norditalien und Budapest oder auf dem Landweg über Russland Richtung Polen und weiter nach Deutschland.


    "Wir müssen den Anschluss an die Seidenstraße schaffen", sagt Alexander Biach, Vize-Direktor der Wiener Wirtschaftskammer. Die Wiener Zeitung hat ihn kürzlich zu "Österreichs Mr. Seidenstraße" ernannt, er ist nicht ganz unschuldig daran, dass in den vergangenen Monaten ein regelrechter Hype entstanden ist um das chinesische Megaprojekt. Die Wirtschaftskammer schaltet Anzeigen, lädt Journalisten zu Recherchereisen nach China ein und druckt Broschüren über die Chancen und Möglichkeiten für Österreich: ein "game changer" sei die Seidenstraße, heißt es da.


    In Österreich gilt das vor allem für ein Herzensprojekt von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, das seit Jahren nicht recht vorankommt und nun quasi mit chinesischer Medizin wiederbelebt wird: die Verlängerung der russischen Breitspurbahn bis kurz vor Wien. Zwischen Illusion und Wirklichkeit klafft ein breiter Graben. Biach kennt das Vorhaben schon seit dieser frühen "russischen Phase". Von 2004 bis 2007 arbeitete er im Kabinett von ÖVP-Staatssekretär Helmut Kukacka im Verkehrsministerium. Ein Grund, warum er das Thema weiter begleitet, auch wenn er als Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger derzeit genug zu tun hat.


    Im Jahr 2008 unterzog der Wiener Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Kummer den Ausbau der Breitspur einer Kosten-Nutzen-Analyse. Sein Ergebnis: Mit zunehmendem Güterverkehr aus Russland und den GUS-Staaten würden sich die Investitionen lohnen, vor allem wenn am Ende der Strecke ein Güterterminal entsteht. Den erleichterten Handel mit China betrachtete er eher als Kollateralnutzen. Kummer sieht das immer noch so, das Projekt ist für ihn ein russisch-europäisches: "China kann man mitnehmen." Für den Verkehr mit dem Reich der Mitte sei die Kostenersparnis verhältnismäßig gering – genauso gut könnte man die Container in einem Billiglohnland wie Weißrussland oder der Slowakei umladen.


    Offiziell sind die Chinesen an dem Projekt bis heute nicht beteiligt. 2008 einigten sich Russland, die Ukraine, die Slowakei und Österreich grundlegend, seitdem arbeitet eine gemeinsame Firma der Bahngesellschaften der vier beteiligten Staaten mit Sitz in Wien an diesem Vorhaben. Österreichs Geschäftsführer wurde gerade neu besetzt: Mit dem Burschenschafter und Ex-RFS-Obmann Alexander Schierhuber, zuvor in Diensten der GAZ-Gruppe des Putin-Freundes und Strabag-Aktionärs Oleg Deripaska. Auf Schierhuber wartet viel Arbeit, denn in den zehn Jahren des Bestehens ist herzlich wenig passiert. Aus der ÖBB hört man, Russland habe außer großen Versprechen nichts zur Finanzierung beigetragen.


    Die Slowakei ist bis heute ein Wackelkandidat, es existieren Ausweichpläne über Ungarn. Nur das grundlegende Konzept steht – und dieser Brückenschlag nach Russland passt in die chinesischen Routenpläne. Zwei Fliegen, eine Klappe. "Das ist der Punkt", sagt Alexander Biach. "Wir versuchen, den Handel mit Russland aufrechtzuerhalten und in die Seidenstraße hereinzukommen."


    Im Bahnverkehr trennen Russland und die einstigen Sowjetstaaten achteinhalb Zentimeter von ihren Nachbarn. China fährt, genau wie die europäischen Länder, auf der Normalspurbreite von 1435 Millimetern, Russland auf der Breitspur von 1520 Millimetern. Ein Güterzug von Chengdu nach Wien muss also auf seinem Weg zweimal umgespurt werden oder, was deutlich üblicher ist, die Waren müssen umgeladen werden. Das kostet Zeit und Geld.


    Keine Gemeinde zeigt Interesse am künftigen Güterterminal


    Derzeit endet die russische Breitspur in der slowakischen Stadt Košice, für eine Verlängerung bis in den Raum Wien müssten rund 400 Gleiskilometer verlegt werden, nach derzeitigem Stand sind dafür 6,5 Milliarden Euro veranschlagt, mehr als der Brennerbasistunnel ursprünglich kosten sollte. An der Finanzierung soll es aber nicht scheitern, meinen Insider. Dafür würden die Chinesen schon sorgen.


    Rund eine Milliarde Euro müsste Österreich aufbringen, 800 Millionen Euro verschlingt allein das Herzstück des Projekts: ein Güterterminal, das den Osten der Republik zum Verteilerknoten der Seidenstraße machen soll. Der Bahnhof steht stellvertretend für das gesamte Projekt: Gigantische Ausmaße, riesige Erwartungen – und viel Aufregung über vage Planungen. Fünf Kilometer lang soll das Terminal werden, 300 Meter breit, insgesamt fast viermal so groß wie der Verladebahnhof Inzersdorf, damit Züge von bis zu einem Kilometer Länge einfahren können, 50 in der Woche. Aktuell gelangen aus dem Osten nicht einmal Waren im Umfang von fünf Millionen Tonnen pro Jahr auf der Schiene in die Umgebung Wiens. Mit der Breitspurverlängerung sollen es bis 2050 rund 20 Millionen Tonnen werden.


    Alexander Biach schwebt "eine Drehscheibe mit Wertschöpfung" vor, mit einem angeschlossenen Industriegebiet also, das mehr als 3000 Arbeitsplätze schaffen soll. Die Alternative sei ein Verkehrschaos: "Ohne Terminal fährt uns der Zugverkehr um die Ohren, ohne dass wir ihn steuern können."


    Ein riesiges Terminal soll bei Wien entstehen – doch keine Gemeinde will es haben


    Stolze Zahlen, die auch Verkehrsminister Norbert Hofer gern ins Feld führt, ein Verbündeter der Wirtschaftskammer in Sachen Breitspur. Nach dem Besuch in China mit der größten Delegation aller Zeiten im April jubelte Hofer, Österreich sei nun "first mover" auf der europäischen Seidenstraße. Eine interessante Sichtweise – schließlich hat China mit dem "16+1"-Format schon 16 europäische Staaten eng an sich gebunden, sehr zum Verdruss der EU. Die Handelspolitik obliegt eigentlich immer noch Brüssel, das mit Peking in ganz grundlegenden Fragen über Kreuz ist: dem freien Marktzugang für europäische Firmen etwa. China würde für Österreich gern den "16+1"-Klub erweitern, doch Wien lehnte dankend ab. Stattdessen brachte Hofer fünf sogenannte Memoranden of Understanding mit nach Hause, freundliche Absichtserklärungen über den Ausbau der Beziehungen, und tonnenweise unerschütterlichen Optimismus. "Think big ist die Devise", überschrieb sein Ministerium eine Pressemitteilung mit der Aufforderung an die EU, sich dem Projekt neue Seidenstraße zu widmen. Im ORF schwärmte der Minister vom künftigen Güterterminal. "Da entsteht etwas ganz Besonderes", sagte er. "Die Stadt, die den Zuschlag bekommt, wird in kurzer Zeit zu den wohlhabendsten in Österreich gehören."


    Öffentlich Interesse angemeldet hat noch keine Gemeinde, im Gegenteil. Das kleine Parndorf im Burgenland, immer wieder als möglicher Standort im Gespräch, verzichtete lautstark, der Bürgermeister schaffte es mit seinen Schimpftiraden gegen den "Breitspur-Wahnsinn" in die Schlagzeilen. Nicht nur aus Parndorf, auch aus anderen potenziellen Standorten hört man Beschwerden. Offenbar speisen die ÖBB-Verantwortlichen Lokal- und Landespolitiker mit veralteten Studien und nichtssagenden Folien ab. Die Geheimniskrämerei weckte Angst, irgendwann vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, auch deswegen der vorschnelle Widerstand in Parndorf.


    Der Zeitplan wurde schon oft nach hinten verschoben. Derzeit geplanter Baubeginn: 2025


    Für eine breite Diskussion über das Projekt fehlen bislang belastbare Fakten. Drei Studien hat die Breitspurgesellschaft schon erarbeiten lassen, alle wurden nur in Auszügen veröffentlicht. Der grüne Bundesrat David Stögmüller hat gerade eine Anfrage an den Verkehrsminister gerichtet, mit 66 Fragen zur Finanzierung, zu den Auswirkungen auf die Umwelt und den Verkehr. Die Standard-Antwort des Seidenstraßen-begeisterten Ministers auf diese technischen Fragen: "Schaun ma einmal."


    Noch steckt das Verfahren in der ersten Phase, der sogenannten strategischen Verkehrsplanung, eine "hohe Flughöhe", wie es ein involvierter Landespolitiker ausdrückt. Der Zeitplan, seit 2008 schon einige Male nach hinten verschoben, sieht derzeit einen Baubeginn um 2025 vor: "Das ist sportlich." Im nächsten Jahr soll das eigentliche Projektplanungsverfahren beginnen, erst dann werden Prognosen zur Umweltverträglichkeit, zum Verkehrsaufkommen und zur Lärmbelästigung erstellt.


    Im Regierungsprogramm hat sich die Koalition zwar grundlegend zur Breitspurverlängerung bekannt, mehr als ein Ministerratsvortrag ist aber noch nicht herausgekommen. Der Auftrag an Hofer: Eine Positionierung erarbeiten. Das Projekt der potemkinschen Bahnverbindung steckt also nach zehn Jahren Breitspurgesellschaft noch immer in den Startlöchern. Nur in einem neuen Dress.


    Christian Bartlau, DIE ZEIT 36/2018

  • Konferenz in Wien: Neue Seidenstraße: Bahnverkehr legt kräftig zu
    Konferenz zum Thema "Connecting Europe and Asia": Der Containerverkehr auf der Eisenbahnroute entlang der neuen Seidenstraße von China nach Europa legt zu.
    Kleine Zeitung, 05.30 Uhr, 14. Dezember 2018



    © Fotolia/Marco2811

    Der Containerverkehr auf der Eisenbahnroute entlang der neuen Seidenstraße von China nach Europa legt zu: 32 Prozent mehr waren es heuer in den ersten zehn Monaten im Vergleich zum selben Zeitraum 2017. Heute geht in Wien in den Räumen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) eine Konferenz zum Thema "Connecting Europe and Asia" über die Bühne.


    Bei dieser Veranstaltung wird auch der Präsident von UTLC ERA (United Transport and Logistics Company – Eurasian Rail Alliance), Alexey Grom, sprechen. Das 2014 gegründete Unternehmen wurde heuer neu strukturiert und gehört zu gleichen Teilen der russischen, der weißrussischen und der kasachischen Staatsbahn. Es sieht sich als Dienstleister für Containertransporte auf der Schiene zwischen Europa und China und Südostasien. Das Transportvolumen des Containerdienstleisters UTLC ERA hat 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zugenommen.


    "Alle 30 Minuten einen Zug"
    Auf der neuen Seidenstraße befinden sich mehrere Schienentransportrouten in Konkurrenz zueinander. Sie alle stehen im Wettbewerb zum Schifftransport, der jährlich rund 23 Millionen TEU (Twenty foot Equivalent Unit) zwischen Europa und Asien befördert. "Es ist unser Ziel bis 2025 eine Million Container auf unsere Route zu bekommen", sagt UTLC-ERA-Präsident Alexey Grom im Gespräch mit der APA. Derzeit würden weniger als fünf Prozent des Volumens auf See mit der Bahn befördert. "Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, denn es bedeutet alle 30 Minuten einen Zug."


    Dafür müsse aber erst die Infrastruktur ausgebaut werden, sagt der Präsident von UTLC ERA. Derzeit starten täglich bis zu 15 Züge auf der Breitspurstrecke. Das Unternehmen verwaltet 4.000 Waggons zum Transport von Containern. Auch die Transportdauer müsse in Zukunft verkürzt werden, fügte Grom an. Allerdings bedeute die derzeitige Geschwindigkeit der Züge von knapp 1000 Kilometern pro Tag bereits einen großen Vorteil für die Kunden.


    Exakte Information über die Kosten des Transports
    Kürzlich hat UTLC ERA einen "Eurasian Rail Alliance-Index" (ERAI), ähnlich diversen Schiffsindices, als Indikator für die Preise des Containertransits auf der Schiene eingeführt. "Wir wollen, dass die Kunden wissen, dass unsere Preise wettbewerbsfähig, selbst mit jenen im Schiffsverkehr, sind", sagt Grom. Notwendigerweise müsse der Bahntransport teurer sein wie jener auf dem Meer. Würden allerdings die Gesamtkosten für den Kunden berücksichtigt, sei die Eisenbahn billiger als jedes andere Transportmittel, so der Chef des Bahndienstleisters. Mit dem Index solle dem Kunden eine exakte Information über die Kosten des Transports auf der Schiene gegeben und damit die Entscheidung für Bahn, Schiff, Flugzeug oder LKW erleichtert werden. "Dadurch soll der Bahntransport transparenter, verständlicher, klarer und kalkulierbarer werden."


    Insgesamt wurden 2017 durch UTLC ERA 175.800 TEU (Twenty foot Equivalent Unit) an Containereinheiten auf der Schiene zwischen China und Europa transportiert. Dabei wurde ein Gewinn von 109 Mio. Euro erzielt. Heuer lag die Zunahme des Transports in den ersten elf Monaten bei 58 Prozent (gesamt 245.000 TEU) gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres. Die Transportdauer auf der 5.500 Kilometer langen Breitspurstrecke zwischen der chinesischen und der polnischen Grenze beträgt 5,5 Tage. Unter den europäischen Auftraggebern befinden sich auch österreichische Firmen.


    Riesenmarkt für Pasta und Wein
    Elektronik, Computer- und Bürotechnik gelangen auf diesem Weg von Asien nach Europa. In die Gegenrichtung werden Industrieanlagen, Eisenmetalle, Autos und Ersatzteile transportiert. Noch ist der Verkehr aber nicht ausgeglichen, mehr Güter werden von Ost nach West als von West nach Ost geliefert. Von 100 Containern in die eine Richtung würden nur 50 in die Gegenrichtung transportiert. Auch Schiffe würden oft 70 Prozent leere Container von West nach Ost führen.


    Doch habe sich auf der Route von UTLC ERA der Gegenverkehr heuer aufgrund von Marketingmaßnahmen bereits auf 76 Prozent des Ost-West-Transports erhöht, sagt Alexey Grom. "Wir versuchen die großen Cargo-Unternehmen und Hersteller in Europa zu überzeugen unser Bahnservice in Anspruch zu nehmen, weil es schnell, verlässlich und sicher ist." Beispielsweise arbeite sein Unternehmen mit der automotiven Industrie zusammen, transportiere etwa für Volvo und Mercedes. Außerdem sei China ein Riesenmarkt für italienische Pasta und französischen Wein. Das Volumen dieser Güter wachse, so Grom. Er sei sehr optimistisch, dass der Verkehr aus Europa nach China zunehmen werde.

  • Laut dem untenstehenden Standard-Artikel soll Ex-Kanzler Kern als RZD-Aufsichtsrat das Breitspurbahn-Projekt vorantreiben:

    Kern soll für Russland Breitspurbahn nach Österreich forcieren


    André Ballin aus Moskau, 1. Mai 2019, 16:05


    Der Ex-Kanzler gilt als heißer Anwärter auf einen Posten, der die Kontakte zu Moskau intensivieren würde


    Die russische Staatsbahn RZD steuert auf Veränderungen zu: Laut mehreren dem Unternehmen nahestehenden Personen wird auf der Jahreshauptversammlung der ehemalige Vizepremier Arkadi Dworkowitsch, ein Vertrauter von Regierungschef Dmitri Medwedew, seinen Posten verlieren. Als Kandidat für die Nachfolge wird der frühere Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) genannt. Offiziell will die RZD die Kandidatur nicht kommentieren. Kern selbst sagt zum STANDARD, er wolle sich zu dem Thema nicht äußern. "Ich bitte um Verständnis."


    Die Version ist allerdings durchaus plausibel: Dworkowitsch ist durch den Korruptionsskandal um das ihm nahestehende Unternehmer-Brüderpaar Magomedow 2018 unter Druck geraten. Kurz danach wurde er bei der Regierungsumbildung nicht mehr berücksichtigt und büßte dementsprechend auch den Posten als Aufsichtsratschef bei der Bahn ein. Die anschließende Ernennung zum Leiter des Innovationsfonds Skolkowo und zum Präsidenten des Weltschachverbands (Fide) dienten der finanziellen und politischen Absicherung Dworkowitschs, doch sein Verbleib im Aufsichtsrat der RZD galt schon damals als zeitlich begrenzt. Die Tätigkeit des zwölfköpfigen Aufsichtsratsgremiums wird mit umgerechnet 700.000 Euro abgegolten.


    Kein Zufall


    Nun soll augenscheinlich die Ablösung ohne weiteren Imageverlust für den 47-Jährigen vollzogen werden. Der Name Kern fällt im Zusammenhang mit der RZD auch nicht ganz zufällig. Die RZD hat bereits in der Vergangenheit mehrfach hochrangige internationale Politiker und Geschäftsleute in das Gremium berufen. So wurde der langjährige Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, nach seinem Ausscheiden aus der DB Mitglied im Aufsichtsrat der RZD.


    Kern war von 2010 bis 2016 Vorstandsvorsitzender der ÖBB. In dieser Position hat er sich für das von Russland initiierte Projekt einer Breitspurbahn nach Wien ausgesprochen. Das milliardenschwere Projekt werde Österreich 3.000 Arbeitsplätze und durch den Aufbau eines Logistik-Hubs jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag in der Wertschöpfungskette bringen, begründete Kern sein Engagement.


    Umstrittener Russlandbesuch


    Auch als Kanzler zeigte er sich moskaufreundlich: Für Irritationen sorgte sein Auftritt 2017 als Ehrengast beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Dort beklagte er öffentlich die westlichen Sanktionen, deretwegen Österreich jährlich 0,3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts einbüße. Bei dem Besuch versuchte er zudem das zuvor auf Eis gelegte Projekt der Breitspurbahn nach Wien wiederzubeleben. In der Zeit wurden neue Machbarkeitsstudien durchgeführt, die die Effizienz des Projekts beweisen sollten.


    Für die RZD ist der Bau weiterhin aktuell. "Das Projekt einer Breitspurbahn erlaubt es, Barrieren zu überwinden, die derzeit die Entwicklung der Eisenbahnen behindern", sagte RZD-Chef Oleg Belosjorow noch bei einem Treffen mit ÖBB-Chef Andreas Matthä im März. Kern könnte mit seinen guten Verbindungen in Politik und Wirtschaft dabei helfen, das Projekt zu forcieren.


    Neben der RZD nutzen auch andere russische Staatsunternehmen gern die Hilfe hochrangiger Lobbyisten aus Europa. So setzt Gazprom seit Jahren auf die Hilfe von Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Vermarktung der Pipeline Nord Stream. Seit 2017 ist er zudem bei Rosneft aktiv. Als Berater bei Nord Stream 2 wurde zudem Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) angeheuert. Dessen Parteikollege Wolfgang Schüssel, Kanzler von 2000 bis 2007, sitzt seit 2018 beim privaten russischen Mobilfunkanbieter MTS im Aufsichtsrat und soll im Juni eine ähnliche Position beim Ölkonzern Lukoil bekommen. (André Ballin aus Moskau, 1.5.2019)

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  • Wien möchte Ziel für Pekings "eiserne Kamelkarawanen" werden
    Johnny Erling aus Peking, 5. Mai 2019, 18:06
    Um der neuen Seidenstraße näher zu kommen, tritt die Wiener Wirtschaftskammer in Peking den internationalen Chamber 6-Vertretungen als Siebte im Bunde bei
    Der Volksmund nennt sie "eiserne Kamelkarawanen". Er meint damit die 1000 Meter langen Frachtzüge mit angehängten 44 Container-Wagons. Zu Hunderten verkehren sie allwöchentlich zwischen China und Europa und sind zum Symbol für Pekings Belt and Road (BRI) genannten Neuen Seidenstraßen geworden. Das extrem schnell expandierende Güterbahnnetz nach Europa startete auf dazu modifizierten Strecken 2011 mit 17 Probefahrten. Bis Ende März 2019, so sagt stolz in Peking BRI-Direktor Xiao Weiming, seien 14.691 mal Containerzüge aus China über den euroasiatischen Landweg nach Europa hin und her gerollt. 6.383 Fahrten waren es allein im vergangenes Jahr.
    62 chinesische Städte sind heute über drei Landbrücken, wo ihre Containerfracht von Chinas Normalspur auf Russlands Breitspur umgeladen wird, mit 51 europäischen Städten in 15 Ländern verbunden. Noch ist das einzigartige Bahnprojekt hoch subventioniert, bei dem anfangs die Züge voll nach Europa fuhren, aber nur halb beladen zurückkehrten.
    Porsche fährt Bahn
    Aber er beginnt sich zu rechnen. Neben Maschinen, Kleidung, Nahrungsmitteln und Weine bis zu Holz transportieren die Container europäische Fahrzeuge nach China. Jüngster Kunde ist etwa Porsche. Seit April lässt das Unternehmen zweimal in der Woche seine Sportwagen verladen. Bis zu 88 Fahrzeuge passen auf einen Zug. In 18 Tagen – drei Wochen schneller als per Seefracht – erreichen sie das 11.000 Kilometer entfernte Chongqing in Südwestchina, meldete Xinhua. Die Container-Auslastung erreichte erstmals 88 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres, sagte Xiao. "2018 stieg der so transportierte Warenwert zwischen Europa und China auf 33 Milliarden US-Dollar, 106 Prozent mehr als im Vorjahr."


    Auch Österreich möchte vom boomenden "Güterumschlag auf den Korridoren der neuen Seidenstraßen" künftig profitieren, sagt Alexander Biach, Vize-Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Wien (WKO). Das sei einer der Gründe, warum die WKO am Rande des chinesischen Seidenstraßen-Gipfel und des Regierungsbesuchs von Kanzler Sebastian Kurz mit in die Hauptstadt kam. Sie trat dort vergangenen Freitag der Vereinigung der Wirtschaftskammern von sechs Weltstädten bei (den sogenannten Chamber 6), die alle an Chinas neuer Initiative teilhaben wollen. Wien empfand seine Aufnahme in den sich jährlich treffenden, illustren Klub der Hauptstadtkammern als Auszeichnung. Chamber 6 gehörten bislang Paris, London, Peking, Berlin, Moskau und Sao Paulo an.
    "Im Hintertreffen"
    Bei der Anbindung an das gigantische Infrastrukturprojekt der Seidenstraßen sei Wien aber im Hintertreffen, "sitzen wir noch immer auf der Zuschauertribüne," beklagt Biach. Als Grund nennt er die fehlende Gleisverbindung zur transsibirischen Eisenbahn, die nach Moskau und Kiew führt. Sie endet .in Kosice im Osten der Slowakei. 400 Kilometer Breitspurbahn fehlten, um sie bis nach Österreichs Hauptstadt zu bringen. Ohne diesen Anschluss sei Wiens Funktion als "Drehkreuz" für drei europäische Korridoren in Zukunft ebenso gefährdet, wie seine neue "Verteilerfunktion für den Zentral- und Osteuropäischen Raum seit dem Fall des Eisernen Vorhangs."
    Nicht nur die hohen Kosten für den Bahnbau, die auf zwischen 6,5 bis neun Milliarden Euro geschätzt werden und komplexe Genehmigungsverfahren rufen Gegner auf den Plan. Mit dem benötigten riesigen Umladebahnhof zur Umspurung auf das europäische Schienennetz und Verladeplätzen zum LKW-Weitertransport stößt das Großprojekt bei Anwohnern potenzieller Standorte auf starke Ablehnung. So auch in Österreich, wo Parndorf im Burgenland, wie berichtet, bereits abgewunken hat.
    Im Kammer-Klub
    Die WKO stützt sich dagegen auf Umfrageergebnisse, wonach 74 Prozent der Wiener für eine Verlängerung der Breitspurbahn seien und sich davon positive Impulse für Wachstum und Arbeitsmarkt versprechen.
    Nach dem Beitritt der Kammer zu den Chamber 6 sagte Biach dem STANDARD, er habe der internationalen Vereinigung angeboten, Wien als nächsten Standort für ihr Treffen im April 2020. Auf der Agenda steht der Erfahrungsaustausch über den Ausbau des Kongresswesen in den Metropolen und über die urbane Digitalisierung beim Bau der "smart city". Neuer Punkt ist wie die Hauptstadtkammern ihre Zusammenarbeit mit Chinas neuen Seidenstraßen intensivieren können. "Alle wollen an das Konzept der Seidenstraßen andocken." (Johnny Erling, 6.5.2019)

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