Nachrichten von gestern

  • Die interessanten Berichte von Werner in diversen Threads darüber, wie es "damals" war sowie mein in letzter Zeit verstärktes Stöbern in alte Eisenbahnmagazinen haben mich auf die Idee gebracht, einen eigenen Thread anzulegen, in dem in bunter Folge interessante Meldungen über die Eisenbahn gebracht werden können, die bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegen und die anhand der heutigen Situation aufzeigen können, ob die Bahn tatsächlich die Richtung bzw. den Weg eingeschlagen hat, von dem man damals angenommen hat, dass die Bahn ihn gehen werde.


    Jeder ist gerne eingeladen, ebenfalls Bahn-Nachrichten von gestern hier zu posten.
    Ich mache den Anfang über den Beitrag im EÖ-Heft 3/1980, S. 50, über das ÖBB-Elektrifizierungsprogramm, das vom ÖBB-Vorstand im November 1979 beschlossen worden war. Das ist insoferne interessant, als sich darin Strecken befinden, die bereits seit 35 Jahren elektrifiziert sein sollten, es aber noch immer nicht sind bzw. auch Strecken, über deren Einstellung bzw. Abgabe an eine Landesgesellschaft in der Zwischenzeit ernsthaft diskutiert wurde.


    Der ÖBB-Vorstand beschloss im November 1979 die Elektrifizierung folgender Strecken bzw. Streckenabschnitte (mit Datum der geplanten/tatsächlichen Fertigstellung und Strecken-Kilometer):

    • FJB Absdorf-Hippersdorf- Sigmundsherberg: Winter 1984/28.9. 1984; 45 km;
    • FJB Sigmundsherberg - Gmünd (NÖ.): Winter 1985/7. 9. 1994 zwischen Sigmundsherberg und Anschlussbahn Wurmbach bei Göpfritz; 24. 9. 1995 bis Gmünd; 76 km;
    • Krems/D. - Herzogenburg: Winter 1985/??????; 20 km;
    • Vorortelinie Heiligenstadt - Penzing: Sommer 1986/31. 5. 1987; 9 km;
    • Mattigtalbahn Steindorf b. Str. - Braunau - Simbach/I.: Sommer 1987/??????; 42 km;
    • Salzkammergutbahn bzw. Hausruckbahn Attnang-P. - Ried - Schärding: Winter 1987/??????; 69 km;
    • Innviertler Bahn Neumarkt-K. Ried - Braunau: Winter 1987/??????; 55 km;
    • Laaer Ostbahn Mistelbach - Laa a. d. Th.: Winter 1988/10. 1. 2006; 33 km;
    • Steirische Ostbahn Graz Ostbf. - Szentgotthard: 1989/90/??????; 82 km;
    • Drautalbahn Abzw. Lendorf - Lienz - S. Candido/Innichen: 1989/90/4. 12. 1988 zwischen Lendorf und Lienz; 28. 5. 1989 zwischen Lienz und S. Candido/Innichen; 94 km;
    • Nordwestbahn Hollabrunn - Retz - Šatov: 1990/91/1993 bis Retz, 10. 12. 2006 Retz - Šatov; 36 km.

    In Summe sollten also 561 km Zwischen 1984 und 1991 elektrifiziert werden. Die Realität sah allerdings ganz anders aus:

    • Zwei Streckenabschnitte (FJB Absdorf-H. - Sigmundsherberg und die Drautalbahn zwischen Lienz und S. Candido/I.) wurden tatsächlich zum anvisierten Fertigstellungstermin fertig und einer (Drautalbahn zwischen Abzw. Lendorf und Lienz) sogar ein Jahr vor der Zeit. Das sind 139 km bzw. 24,7 % von insgesamt 561 km.
    • Vier Streckenabschnitte mit 154 Strecken-km wurden mit teilweise großer Verspätung bis zu 17 Jahren fertig. Das sind 154 km bzw. 27,5 %.
    • Fünf von insgesamt elf Streckenabschnitten wurden bis heute, 41 Jahre nach der Beschlussfassung durch den ÖBB-Vorstand nicht elektrifiziert. Das sind 268 km bzw. 47,8 %!

    Basis für den Vorstandsbeschluss war eine Studie der TU Wien. Der namentlich nicht genannte Autor des EÖ-Artikels kommt unter Bezugnahme auf die TU-Studie zum Schlus, dass dem obenstehenden Elektrfizierungsprogramm zwecks Netzkomplettierung mit großer Wahrscheinlichkeit noch weitere Strecken angefügt werden würden. Konkret werden genannt:

    • Die äußere Aspang-/Wechsel-/Thermenbahn Wiener Neustadt - Fehring;
    • Die Kamptalbahn Hadersdorf/K. - Horn - Sigmundsherberg.

    Ich glaube, dass der Ausflug in die Vergangenheit ganz interessant war, vor allem, weil er zeigt, wie die Programme von damals und die Realität von heute auseinanderklaffen.


    Wird fortgesetzt!

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Da gab es ja 1981 am Ostbahnhof in Wien einen furchtbaren Unfall als ein Zug, der nicht rechtzeitig zum Halten kam, gegen den Prellbock fuhr.

    Ja, am 17. August 1981. Opferbilanz: 3 Tote, 140 Verletzte. Die Zahl der Opfer war deshalb so hoch, weil die meisten Fahrgäste in Erwartung des baldigen Ausstiegs bereits standen, viele davon auf den offenen Plattformen.

    An die Nachricht und die schrecklichen Bilder kann ich mich auch noch erinnern. Aber auch an eine ZIB2 (oder hieß sie damals 10 vor 10?) etwa zwei Tage nach dem Unfall, bei der ich selber mitgewirkt habe:
    Der Moderator, es war der legendäre Robert Hochner, stellte seinen Studiogast, einen hochrangigen ÖBB-Funktionär, vor mit den Worten:
    "Hier sitzt der Mann, der verspricht, dass mit dem nächsten Fahrplanwechsel keine zweiachsigen Personenwaggons mit den offenen Plattformen mehr im Fahrplanbetrieb eingesetzt werden".
    Diese Zusage kam dann auch aus dem Mund des ÖBB-Funktionärs. Dessen Namen weiß ich leider nicht mehr. Und soweit ich weiß, wurden bald danach auch tatsächlich keine Spantenwagen mehr im Regelbetrieb eingesetzt, sondern nur mehr Vierachser.


    So hat dieser schreckliche Unfall doch auch einen Meilenstein in der ÖBB-Geschichte markiert.

    Einmal editiert, zuletzt von Werner ()

  • Eine weitere Nachricht von gestern, in der von einem Projekt berichtet wird, das auch schon seit 40 Jahren der Realisierung harrt und so wie es den Anschein hat, noch sehr viele Jahre harren wird. Hätte man das Projekt damals realisiert, was angesichts der beengten Situation und des damals noch in Betrieb befindlichen Steinbruchs in Mauthausen sicher nicht so einfach zu bewerkstelligen gewesen wäre, gäbe es auch das mittlerweile dem Erdboden gleichgemachte Donauuferbahn-Zwischenstück im Nibelungengau noch. Man beachte auch den letzten Satz von der direkten Bahnverbindung Wien - Linz unter Umgehung der Westbahn im Störungsfall. Alles schon Geschichte:

    Quelle: EÖ-Heft 4/1980, S. 71.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Eine Nachricht von gestern, konkret aus dem Jahr 1980, die auf Grund des langen Realisierungszeitraums des Projekts nachwievor aktuell ist:
    Quelle: Eisenbahn-Heft 4/1980, S. 72.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Heute eine Fahrzeugnachricht von gestern. Die wegen ihrer zahlreichen Kinderkrankheiten nicht sehr erfolgreichen und nur in einer Stückzahl von 17 Tw gelieferten Integral von Jenbacher, die im vergangenen Sommer von der BOB ausgemustert wurden, hatten einen weithin unbekannten großen Bruder und zwar einen Nahverkehrs-DoSto-Tw.
    Zwischen 11. 11. und 4. 12. 1996 fanden mit ihm Probefahrten auf der Arlbergbahn statt, zuerst im Oberland mit bis zu 175 km/h und im Anschluss auf den Arlbergrampen zwecks Erprobung der Bogenlaufeigenschaften.
    Über das weitere Schicksal des Einzelstücks ist mir leider nichts bekannt. Auch der Wikipedia-Artikel über die Integral-Verkehrstechnik, die nach dem Integral-Flop 2001 liquidiert wurde, erwähnt den DoSto-Tw mit keinem Wort.
    Das Foto zeigt den Messzug Prob 18714 am 16. 11. 1996 im Bhf. Imst-Pitztal mit dem DoSto-Prototypen, dem Messwagen 50 81 99 94 000 und der 1114 017:

    Quelle: EÖ-Heft 1/1997, S. 3. Foto: Erich Nährer.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Mir war auch nicht bewusst, dass es ein so weit fortgeschrittenes Modell gab. Wobei ich davon ausgehe, dass es da primär um die Laufwerkstechnik ging und der Rest minimalistisch ausgeführt war.
    Leider waren sie zu teuer, von der Technik (nach den Kinderkrankheiten) vermutlich überragend.


    Es gibt einen Wiki-Artikel zum Triebwagen, da wird es zumindest erwähnt, dass es das Konzept gab: https://de.wikipedia.org/wiki/Integral_S5D95

  • Hat's den Tw wirklich so gegeben? Das Bild schaut eher wie eine Fotomontage aus.

    Ich gehe davon aus, dass ein Eisenbahnmagazin es nicht nötig hat, mit Fotomontagen zu arbeiten, außer es steht der 1. April bevor. Ich kann mich noch an die Probefahrten erinnern, nicht jedoch, was nach dem Zusperren der Fa. Jenbacher/Integral aus dem Fahrzeug geworden ist. Hier besteht nun für alle, die mehr darüber wissen, die Möglichkeit, ihr Wissen kundzutun.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Es gibt einen Wiki-Artikel zum Triebwagen, da wird es zumindest erwähnt, dass es das Konzept gab.

    Da bin ich wieder einmal das Opfer meines (zu) schnellen Lesens (so mancher sagt "schludrig" dazu) :D geworden. Auf Wikipedia steht ohnehin:

    Zitat von Wikipedia

    Der Konzeptentwurf enthielt bis zu elfgliedrige ein- und doppelstöckige Fahrzeuge.

    Dass aber auch ein Prototyp gebaut wurde, ist nicht zu lesen.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Heute gibt es Nachrichten von gestern in mehrfacher Hinsicht. Erstens, weil es die Schmalspurkrumpe, abgesehen von der von Ober Grafendorf ausgehenden Rumpfstrecke und Schienenradl-Überresten nicht mehr gibt, zweitens, weil längst keine Schmalspur-Rübenzüge mehr unterwegs sind und weil drittens der Rollwagenverkehr, abgesehen von nostalgischen Spielereien (siehe hier) längst Geschichte ist. Und nachdem gerade der Rübenverkehr im Gange ist, gibt es hier einen Ausflug in den mostviertler Herbst des Jahres 1996.


    Am 6. November 1996 ziehen 2095 011 und 015 den G 71220 von St. Leonhard am Forst kommend die Steigung nach Lehenleiten hinauf, von wo es nach Mank wieder bergab geht ging:
    Quelle: EÖ-Heft 1/1997, S. 11. Foto: R. Stangl


    Vor sechs Jahren war ich nur wenige Meter vom obigen Fotostandort entfernt, um den damaligen Zustand der vier Jahre zuvor eingestellten Strecke zu dokumentieren:


    Grund meines damaligen Besuches der Krumpe war die medial groß aufgebauschte Sprengung der Bahnbrücke über den Melk-Fluss zwischen den Bahnhöfen St. Leonhard und Ruprechtshofen am 4. November 2014 durch das österreichische Bundesheer. Die Sprengung der vor beeindruckender Zuschauerkulisse geriet zu einem Desaster, denn die Brücke widersetzte sich standhaft dem geplanten Sturz in das Flussbett und ließ zwei Bundesheerangehörige etwas ratlos zurück:

    Fotos: dr. bahnsinn, aufgenommen am 4. 11. 2014

    dr. bahnsinn - der Forendoktor