[N] Bummelzug Fahrende Weinbergschnecke kehrt nach Retz zurück

  • Bei der Donauschifffahrt verwendet man schon seit Jahrzehnten den Begriff "Schubverband".
    Und zwar seitdem Motorschiffe wie Kähne von "Zug" auf "Schub" umgebaut wurden. Unter anderem, um Steuermänner auf den Kähnen einzusparen.
    Das geschah, wenn ich mich recht erinnere, in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren.
    Jedenfalls wurden zur Zeit meiner Kindheit, die ich in den frühen 1950er Jahren nahe der Donau bei Klosterneuburg erlebte, alle Kähne an langen Stahlseilen gezogen.

    Gehe ich recht in der Annahme, dass auch @dr. bahnsinn ähnliche Erinnerungen (aus dem Strudengau) hat?

    Natürlich habe ich noch umfangreiche Erinnerungen an jene Zeit, als sich die Donauschifffahrt von der Zug- zur Schubschifffahrt wandelte. Aber das war nach meiner Erinnerung ca. ein Jahrzehnt später Ende der 60er- bis Ende der 70er-Jahre, nachdem der Bau der Donaukraftwerke zum Großteil abgeschlossen war, denn erst die Stauhaltungen erlaubten den uneingeschränkten Einsatz von Schubschiffen. Das erste moderne Schubschiff der DDSG, das MSS "Linz" wurde 1969 in Dienst gestellt.

    Ergänzen möchte ich noch, dass in der früheren Schifffahrt das Wort "Zug" zwei Mal vorkam und zwar beim historischen "Schiffszug", als die unmotorisierten Frachtkähne von Pferden "gegenwärts", als gegen den Strom gezogen wurden. Diese Schiffszüge wurden auch als "Gegenzug" bezeichnet. Eine ausführliche Beschreibung eines solchen Schiffszuges gibt es hier.

    Weiters kam das Wort "Zug" auch beim sogenannten "Schleppzug" der Dampf- und Motorschiffahrt vor. Hier wurde gegenwärts in aufgeklampfter Formation (Schleppkähne hintereinander) am "langen Seil" (ca. 30 - 50 m Abstand zwischen Zugschiff und erstem Schleppkahn) gefahren, während "nauwärts" (stromabwärts) im Dreierpaket "am kuzen Seil" ( ca. 10 m Abstand) zwischen Zugschiff und den Schleppkähnen gefahren wurde. Grund: Bei der aufgeklampften Formation gegen die Strömung war der Strömungswiderstand geringer, während bei der Talfahrt das Dreierpaket leichter zu manövrieren war.

    Hier zwei Fotos, die die beiden Formationen zeigen, wobei sie aber bezüglich der Seilführung nicht sehr anschaulich sind, da der gegenwärts fahrende Zugverband die Schleppkähne am kurzen Seil hat. Der Grund kann nautischer Natur gewesen sein oder der Verband stand gerade vor einem Anlegemanöver, weshalb die Schleppkähne kurz genommen wurden. Beim Foto mit dem talfahrenden Verband hängen die Kähne deshalb am langen Seil, weil der Verband gerade ein Wendemanöver (Rondo) durchführt. Damit die Schleppkähne beim Wendemanöver dem Zugschiff nicht ins Heck laufen, wird beim Rondo der Schleppverband am langen Seil geführt.

    Das erste Foto zeigt den DDSG-Schaufelraddampfer "Suppan" (gebaut 1921 in der Schiffswerft Budapest, 800 PSi, kassiert 31. 3. 1966) bergfahrend mit drei aufgeklampften Schleppkähnen, aber abweichend von den sonstigen Gepflogenheiten "am kurzen Seil":

    Das zweite Foto zeigt einen talfahrenden Schleppverband im Dreierpaket beim Rondo in Wien unterhalb der Reichsbrücke. Zugschiff ist der DDSG-Schaufelraddampfer "Vacz" (gebaut 1921 in der Schiffswerft Budapest, 800 PSi, kassiert am 31. 12. 1964. Die Schleppkähne wurden während des Wendemanövers kurzzeitig "am langen Seil" geführt:
    Fotos aus: Vom Raddampfer zum Schubverband von Hans Scherrer, DDSG-Eigenverlag, Wien 1974.


    Noch eine Anmerkung zum ursprünglichen Bummelzug um ein Missverständnis auszuräumen: Ich bin nicht gegen die Beförderung von Touristen, Heurigenbesuchern etc. mit solchen "Zügen", die von mir aus auch "Bummelzug" heißen mögen. Ich bin nur dagegen, dass die Zugfahrzeuge als Pseudo-Dampfloks verkleidet durch die Gegend fahren.

    dr. bahnsinn - der Forendoktor

  • Vielen Dank @dr. bahnsinn für die ausführlichen und interessanten Erläuterungen und Bilder.
    Bei der Jahreszahl habe ich mich wohl geirrt, sorry. Dies wohl deshalb, weil wir in Donau-naher Lage nur bis 1957 wohnten, ab 1958 in Wien in einem westlichen Bezirk, weitab von der Donau. Daher hat der tägliche Auslick zum Leben und Treiben auf der Donau gefehlt.